Sindelfinger Zeitung  ( 22.2.2005)


Aidlingen-Deufringen: Auftakt der Konzerte beim Jazz-Forum
New Orleans von Nachbarn
Von unserem Mitarbeiter Bernd Heiden


Sie kommen zwar aus der fast direkten Nachbarschaft und jazzten schon vor der Gründung des Aidlinger Jazz-Forums (JFA). Dennoch gaben sie erst jetzt ihre Konzertpremiere im Deufringer Schlosskeller. Aber besser spät als nie: Einen glänzenden Auftakt der Jazz-Saison 2005 im Deufringer Schloss bescherte dem JFA "The Stuttgart New Orleans Society".
Aus der Perspektive des Jazz-Fans gibt es mehrere Probleme mit Traditional Jazz. Zum einen sind viele Stücke ausgelutscht. Und was die Harmonien und Improvisationslinien angeht, ist hier kaum Interessantes zu erwarten. Als ob die Traditional-Bands das wüssten wählen sie entweder die Option Radaujazz. Oder sie pflegen eine virtuose Perfektion, die teils erheblich das übersteigt, was in den 20er bis Anfang der 30er Jahre die Musiker drauf hatten. Ob Party- oder Profi-Traditional, beides turnt echte Jazz-Hörer nicht an. Anmachen tut gleichwohl das Stuttgarter New-Orleans-Septett.

Denn erstens bietet das Ensemble mit intelligenten Moderationen, vielen musikalischen Überraschungen und Musik-Gags viel Spaß und beweist dennoch zweitens, dass in dieser Combo enorme musikalische Kompetenz versammelt ist. Kornettist, Moderator und Sänger Andy Lawrence wird als einer der besten europäischen Traditional-Trompeter gehandelt, was er im Schlosskeller mit einigen High-Speed-Einlagen unterstreicht, allerdings auch nur dort, wo es passt. Bei Fats Wallers Zeitlupenstück "Blue turning grey over you" etwa zeigt er, das ein fetter Trompetenton in der Tiefe, garniert mit Seufzerchen, seine ganz eigenen, persönlichen Reize hat. Was die Europa-Rangliste betrifft wird Lawrence vielleicht noch getoppt von Banjo-Spieler Jürgen Kulus, der nicht nur das übliche Banjo-Geschraddel bietet, sondern mehrfach als Solist, etwa beim Tiger Rag zeigt, was mit einem Banjo alles möglich ist: Im Ergebnis eine Art Synthese aus akkordisch angelegter Jazz-Sologitarre und Balalaikahexerei gewürzt mit Drive.

Aber auch Posaunist Jochen Häner, der mit geschickten Akzenten viel Zug in seine Soli bringt, kann sich durchaus mit Dixie-Legende Kid Ory messen, wie er mit dessen Stück Ory's Creole Trombone belegt. Manfred Bauerle an der Klarinette entpuppt sich als Meister aller Tempi. Im Up-Bereich schneller als das Ohr hören kann, lässt er im Gemächlichen seine Klarinette auch mal Gackern und Palavern. Bei einem der großen Musikspäße des Konzerts, einem Duett mit Tuba (Billy Bühler) zu Handy's Hesitating Blues, singt derweil die Klarinette ganz unverdrossen vor sich hin, während im Hintergrund die Tuba immer wutschnaubender angesichts dieser süßen Töne röhrt.

Seltene musikalischen Einsichten
Schlagzeuger Alexander Sterzel an einem ganz kleinen Set mit wenigen Becken und Trommeln liefert zwar das eine oder andere Hau-Drauf-Solo, beweist aber mehrfach, welch großen Spannungsbogen allein eine Snaredrum zu ziehen vermag. Klaus Bader am Piano glänzt bei Gesangseinlagen und einem Auftritt mit Sopranino-Saxofon.
Freilich, die Truppe hat's nicht nur solistisch drauf. Neben vielen unterschiedlichen Feelings von der schleppend-hängenden Ballade über triolengeschwängerten Slow-Blues und zuckelnden Two-Beat bis zu jagenden Rags begeistert sie auch mit einer musikalischen Einsicht, die im Traditional-Lager Seltenheitswert hat: Nicht durch ständiges Hansdampf-Forte, sondern vielmehr mit einem zarten Tutti-Piano zwischendurch bindet man Aufmerksamkeit.


 

Presse:

Neue Badische Nachrichten  ( 6.3.2001)


Dixieland vom Feinsten im Ettlinger "Birdland 59"- Stuttgarter "New Orleans Society" bestach durch Einfallsreichtum und gekonnten Soloeinlagen

Beim Stichwort "Dixieland" oder allgemein beim Oldtime-Jazz scheiden sich die Geister. Für die einen, darunter viele aktive Musiker, ist das kein richtiger Jazz mehr, weil die Improvisationen längst festliegen und alles viel zu kommerziell sei. Das Publikum dagegen jubelt, weil die meisten irgendein Oldtime-Titel wie " Oh when the saints" oder "Ice cream" die erste Begegnung mit dem Jazz war. Und vor allem die Wirte freut es, denn Dixieland macht die Zujörer fröhlich und steigert den Getränkekonsum.In diesem Koordinationsystem könnte man das Gastspiel der Stuttgarter "New Orleans Society" einordnen: Das 1990 gegründete Septett trat im "Birdland 59", dem Ettlinger Jazzclub auf.
Und es wurde ausgesprochen gute Musik geboten, den die Truppe um den Kornettisten Andy Lawrence zeichnen gleich zweui Pluspunkte aus. Zum einen nehmen sie ihre Musik ernst und verzichten auf alle Gags, etwa die gefürchtete Louis Armstrong-Imitation, die andere Kapellen wirklich erst nach dem siebten Bier erträglich machen. Deshalb finden sich in ihrem Repertoire auch immer wieder Titel, die eher unbekannt und nicht so abgespielt sind.So wäre etwa der "St.Louis Blues" von W.C.Handy ein Selbstgänger gewesen. Stattdessen stimmte Andy Lawrence den "Hesitating Blues" des gleichen Komponisten an.Natürlich liegt das Bluesschema eisern fest, aber es lässt doch Raum für eigene Ideen. So gab es mitten im Stück ein traumhaft schönes Duett zwischen Lawrence und Billy Bühler am Sousaphon. Und da wurde es fast andächtig still.. Womit wir beim zweiten Plus der "New Orleans Society" sind: Alle sieben sind gute Musiker. Neben den bereits erwähnten Lawrence und Bühler gilt dies vor allem für den warmen Posaunenton von Jochen Hähner, der sich mit Kid Ory´s "Creole Trombone" eine Steilvorlage für ein ausgefeiltes Solo gegeben hatte. Solistisch ebenbürtig präsentierte sich Manfred Bauerle ( Klarinette, Saxophon), so das die Bläsersektion sehr ausgewogen war. Aber die Rhythmusgruppe fiel dagegen kaum ab. Klaus Bader aus Pforzheim kennt man ja eigentlich als Saxophonist. Aber er kann auch gut Klavier spielen und sogar singen - etwa den Schmal-Klassiker "My melancholy baby" mit erfreulich viel Selbstironie in der Stimme. Drummer Alexander Sterzel hatte in diesem musikalischen Konzept natürlich nicht viel Spielraum, aber er schrammelte sich präzise durch seine Viervierte. Zur Belohnung für so viel Ausdauer durfte er auch zweimal ein kürzeres Solo spielen. Bleibt noch ein Musiker zu erwähnen, der für ein Highlight des Konzerts sorgen sollte. Schon bei den gespielten Standars konnte man beim genaueren Zuhören feststellen, dass der Banjospieler immer wieder mit recht komplizierten Harmonien begleitete. Und dann gab es einen Soloauftritt von Jürgen Kulus, wohl einer der besten Banjo-Spieler Europas: Seine Interpretation des "Tiger Rag" war eine brillante Demonstration der Möglichkeiten, die in diesem häufig unterschätzten Instrument stecken. (Heinz Klusch)


 
Kornwestheimer Zeitung  (10.9 2001)


Die Stuttgarter New Orleans Society Band gastierte im Theaterstüble
Wundervolle Reise ins gute alte New Orleans

 
Kornwestheim (alw). Aufgrund des schlechten Wetters spielte die fulminante New Orleans Society diesmal nicht auf dem Marktplatz vor dem Kulturhaus, sondern im viel gemütlicheren Theaterstüble. Hier ging überaus fetzig die Post ab. Der facettenreiche Leadsänger Andy Lawrence ( Cornet/Vocal), Manfred Bauerle ( Klarinette), Jochen Hähner ( Posaune), Klaus Bader ( Piano/Vocals), Rainer Daub (Banjo), „Billy" Bühler ( Sousaphon) und Alexander Sterzel ( Drums) sorgten für überaus ausgelassene Stimmung. Sie präsentierten Blues, Spirituals und Ragtime in ausgesprochen einfallsreichen Arrangements. Mit explosiven Rhythmen wurde die Stimmung bis zum Siedepunkt angeheizt, was sich schon beim ersten Titel „ When you walk through the streets of the city" zeigte.
Bei „Hindustan" gingen die Musiker recht freizügig mit Rhythmus und Harmonie um, und die Spannung sollte sich im Lauf des Abends noch ganz erheblich steigern. Swingend-fetzig interpretierte Jochen Hähner an der Posaune „Orys Creole Trombone", und Louis Armstrongs „ Hesitating Blues" ging dem Publikum dank Andy Lawrences schmissig-ausdrucksvollem Gesang und Manfred Bauerles betörendem Klarinettenspiel richtig unter die Haut.
Da kam nostalgische Stimmung auf: Das ganze war eine wundervolle Reise ins gute alte New Orleans. Armstrongs berühmte „ Song-Linie" schimmerte immer wieder durch und leuchtete zuletzt hell auf. Herz und Seele schwang in jedem Ton mit, die Blues- Intensität riss das Publikum ganz unmittelbar mit. Dass der Pianist Klaus Bader jedoch auch ein ungemein einfühlsamer Sänger ist, bewies er bei „ come to me my melancholic baby". „ If you knew Susi...what a girl" zeigte den Schlagzeuger Alexander Sterzel in Hochform, der sich mit seinen eruptiven „breaks" mächtig ins Zeug legte.
Bei „Linger für a while" brachte Andy Lawrence die klanglichen Elemente in mitreißende Bewegungen. Mit unentwegter Motorik brillierte hier insbesondere Klaus Bader am Piano. Absolut klassisch wirkte „The Apex Blues" mit seinen ausgezeichnet herausgearbeiteten dynamischen Differenzierungen. Die berühmten „ Blue Notes" erhielten dabei filigranes und hochvirtuoses Bläserspiel zusätzlichen Glanz.
Bei „ Down among the Sheltering palms" lief insbesondere Klaus Bader am Klavier wieder zur Hochform auf, assistiert von Alexander Sterzels Schlagzeug-Exzessen. Rainer Daub hatte als Banjo-Interpret bei „ Cutting uo" seinen großen Auftritt. Zuweilen fielen die „al-frescoartigen", auseinandergezogenen, bisweilen nur angedeuteten Lienien auf, die rhythmische Verschiebungen und reizvolle Strukturen originell miteinander verbanden. „Jelly Roll" und „a coney Island washboard" überzeugten nicht nur mit zahlreichen Salto-mortale-Schlagzeug-Soli, sondern ebenso mit geradezu groovigem Beat. Die exzessiven Dixieland-Temperaturen erhitzten sich hier immer mehr. Dies zeigte sich nicht nur bei Benny Mortons „South", sondern vor allem auch bei der ausgezeichneten Bix-Beiderbecke-Nummer: Hier spürte man, wie stark die deutsche Romantik Beiderbeckes Kompositionen beeinflusste, der ja ein berühmter Vertreter des Chicago-Stils war, der dem New Orleans- und Dixieland-Jazz nahe steht. Mini Saxophone und Banjo-Kettenreaktioen leiteten wiederum zu „Good old Dixieland" über.
Dynamische Beweglichkeit herrschte dann bei „Chinatown, my Chinatown" vor, und der virtuose „Bye Bye Blues" verabschiedete die Gäste im Theaterstüble mit elektrisierender Vitalität. Vibrierender Sound ging einem hier wirklich durch Mark und Bein. Riesenapplaus belohnte die hervorragende New Orleans Society Band für ihren inspirierenden Jazz-Nachmittag.